Lebenslang im positiven Sinne des Wortes: Die Einwohner unseres Nachbarlands werden sowohl von der Regierung als auch von den Arbeitgebern stimuliert sich stetig weiter zu bilden. Fordern und fördern lautet dabei das Motto – und die meisten Niederländer nehmen dies gern in Anspruch. Laut Günter Gülker, Geschäftsführer der AHK Niederlande, ist das Bildungssystem auf das lebenslange Lernen eingestellt und profitiert davon auch die Wirtschaft. Mit jährlichen Bildungsausgaben in Höhe von 5-6% des BIP gehören die Niederlande zusammen mit den nordischen Ländern zu den Spitzenreitern in Europa.
Menschen als Kapital
Nachdem die Niederlande wie Deutschland nur über wenig Zugriff auf Rohstoffe verfügen, ist der Mensch das wichtigste Kapital. Diese Erkenntnis nimmt zu, angesichts einer strukturellen Arbeitslosenquote von rund 3% und dem damit verbundenen Fachkräftemangel.
Arbeitnehmer werden ermutigt, kontinuierlich in ihre Entwicklung zu investieren. Sie werden damit befähigt, auf einem verändernden Arbeitsmarkt flexibel zu bleiben und Kenntnisse, die dazu nötig sind, zu erlernen. Die Unternehmen tragen dazu bei, was sowohl die Produktivität als auch die Innovation fördert. Mehr als 90% der niederländischen Unternehmen bieten ihren Mitarbeitern ein persönliches Weiterbildungsbudget an, das von einem Großteil der Beschäftigten in Anspruch genommen wird.
Möglichkeit zur ‚eigene Schule‘
Ein interessanter Unterschied zu Deutschland: Schulen verfügen über eine große Autonomie. Eigene Konzepte und Ideen zur Bildung? Dann besteht die Möglichkeit, eine eigene Schule zu gründen. Diese Autonomie ermöglicht es, das Bildungsangebot an individuelle und auch regionale Bedürfnisse anzupassen, wodurch eine starke Bindung zwischen Schule, Lehrern und ihrem Umfeld entsteht. Darüber hinaus fördert es Differenzierung sowie eine frühzeitige Erkennung und Entwicklung von Talenten. Und Programme wie „Passend Onderwijs“ (Angemessene Bildung) sorgen für Inklusion und Unterstützung. Die entsprechenden Lerninhalte werden dabei auf nationaler Ebene abgestimmt und koordiniert.
Das niederländische Bildungssystem zeichnet sich außerdem durch einen Schwerpunkt auf digitale Lernmethoden und einer modernen Infrastruktur aus. Dies spiegelt sich auch in den internationalen Rankings wider: Alle 12 Universitäten des Landes sind laut des Times Higher Education World University Ranking unter den Top 300 weltweit platziert.
Mehrsprachigkeit
Die Niederländer wachsen in einem mehrsprachigen Umfeld auf, wobei Englisch als zweite Sprache einen hohen Stellenwert hat und die Niederlande im weltweiten Ranking das höchste Englisch-Niveau unter Nicht-Muttersprachlern haben. Für Ausländer, die die niederländische Sprache im Land erlernen möchten, stellt das das eine Herausforderung dar, denn Niederländer wechseln schnell ins Englische. So hat jeder Vorteil seinen Nachteil, würde die Fußballlegende Johan Cruyff sagen. Die starke Rolle der englischen Sprache verschafft unseren Nachbarn einen Vorteil auf dem internationalen Arbeitsmarkt und stärkt die Wettbewerbsfähigkeit der niederländischen Unternehmen weltweit.
Der wirtschaftliche Nutzen von Bildung
Die Kombination aus hochwertiger Bildung und strategischen Investitionen macht die Niederlande für Talente und Unternehmer interessant. Durch die Optimierung des Bildungswesens, die zum Teil auf internationalen Erhebungen wie PISA und TIMSS beruht, reagiert das System auf die Bedürfnisse einer dynamischen Welt. Das Ergebnis? Eine moderne Gesellschaft mit Innovationsgeist. Laut dem European Innovation Scoreboard 2024 stehen die Niederlande auf Platz vier und folgen gleich hinter drei nordischen Ländern. Wenn es um europäische Patente pro Millionen Einwohner geht, stehen die Niederlande sogar in den Top Drei – regionaler Schwerpunkt ist die High-tech Region rund um Eindhoven mit Firmen wie ASML, NXP und Philips. Es zeigt sich, was wir alle schon wissen: Lernen lohnt sich – persönlich, gesellschaftlich und wirtschaftlich.